Das Gedankengut von Hannah Arendt – dargestellt in ihrem Buch „Über das Böse“ im Piper-Verlag – beschreibt in erstaunlicher Weise Supervision, ohne dass sie in ihrem Buch von Supervision schreibt.
Martin Knöferl, Leiter der Koordinationsstelle für Supervision, sinnt philosophisch darüber nach. Textstellen von Hannah Arendt sind kursiv und in Anführungszeichen gesetzt.

Supervision – beginnt, bevor sie beginnt:

Fähigkeit und Mut zur Wahrnehmung, Wertschätzung der eigenen Person, Vertrauen in das eigene Tun und Lassen:

…“Bestimmte Dinge kann ich nicht tun, weil ich danach nicht mehr in der Lage bin, mit mir selbst zusammenzuleben. Dieses Mit-mir-selbst-Zusammenleben ist mehr als Bewusstheit, mehr als Selbstwahrnehmung, die mich bei allem, was ich tue, und in jedem Zustand, in dem ich mich befinde, begleitet. Mit mir selbst zu sein und selbst zu urteilen, wird in den Prozessen des Denkens artikuliert und aktualisiert, und jeder Denkprozess ist eine Tätigkeit, bei der ich mit mir selbst über das spreche, was immer mich gerade angeht.“

… „Das Denken an vergangene Angelegenheiten bedeutet für menschliche Wesen, sich in die Dimension der Tiefe zu begeben, Wurzeln zu schlagen und sich selbst zu stabilisieren, so dass man nicht bei allem Möglichen – dem Zeitgeist, der Geschichte oder einfach der Versuchung hinweggeschwemmt wird.“

… „Wurzeln fehlen dort, wo Menschen nur über die Oberfläche von Ereignissen dahingleiten, wo sie sich gestatten, davongetragen zu werden, ohne je in irgendeine Tiefe, derer sie fähig sein mögen, einzudringen.“

… „Die Furcht, sich selbst zu verlieren, ist berechtigt; denn sie die Furcht, nicht mehr in der Lage zu sein, mit sich selbst zu reden, und nicht nur Kummer und Leid, sondern auch Freude und Glück und all die anderen Gefühle würden unerträglich sein, wenn sie stumm, unartikuliert zu bleiben hätten.“

…“ Der Verlust dieser Fähigkeit ist der Verlust der Kreativität – mit anderen Worten: der Verlust des Selbst, das die Person ausmacht.“ 

Supervision – ein Resonanz-Geschehen

… „Wenn sich nun eine Person („personare“ – hervortönen) an mich wendet und wenn wir, wie des manchmal geschieht, in der Form des Zwiegesprächs über genau die Dinge zu sprechen beginnen, mit denen sich Einer von uns, während er noch in der Einsamkeit war, beschäftigte, dann ist es jetzt so, als ob ich mich an ein anderes Selbst wende, und dieses andere Selbst, das „allos autos“ hat Aristoteles richtig an den Freund bestimmt.“

Supervision –  Selbstvergewisserung & Selbstentfaltung

Das Wahrnehmen, Aussprechen, der Austausch in der Supervision, ist nicht mit Freundschaft zu verwechseln. Gerade weil es sich um einen professionellen, abgegrenzten und geschützten Raum handelt, der von Wohlwollen und von Aufmerksamkeit geprägt ist, in dem Freude und Gelingen fokussiert wird, entwickelt  sich Selbstvertrauen und Selbstverantwortung.

  • Das Denken an vergangene Angelegenheiten bedeutet für menschliche Wesen, sich in die Dimension der Tiefe zu begeben, Wurzeln zu schlagen und sich selbst zu stabilisieren, so dass man nicht bei allem Möglichen – dem Zeitgeist, der Geschichte oder einfach der Versuchung hinweggeschwemmt wird.
  • Wurzeln entstehen dort, wo Menschen nicht nur über die Oberfläche von Ereignissen dahingleiten, sondern in eine Tiefe, derer sie fähig sein mögen, eindringen.
  • Die Freude sich selbst zu gewinnen ist berechtigt; denn sie die Freude, in der Lage zu sein, mit sich übereinzustimmen, mit sich selbst zu reden, und nicht nur Kummer und Leid, sondern auch Freude und Glück und all die anderen Gefühle werden erträglich sein, wenn sie wahrgenommen und artikuliert werden können.
  • Der Gewinn dieser Fähigkeit ist die Voraussetzung der Kreativität – mit anderen Worten: des Selbst, das die Person ausmacht.

Martin Knöferl
Leiter Koordinationsstelle Supervision

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